50. Todestag Che Guevara

Prado ist einer der letzten Menschen, die den Revolutionär lebend sahen und mit ihm sprachen. Am nächsten Tag wurde Che hingerichtet. Der Schütze war ein Feldwebel der Armee, der auf Befehl des Staatspräsidenten handelte. Prado war derweil mit seinen Soldaten daran, in der Umgebung nach geflüchteten Begleitern von Che zu suchen.

Wer ist Gary Prado? Ein Mann der progressiven Linken, der sich der Militärdiktatur in seinem Land widersetzte, bevor er als bolivianischer Botschafter in Grossbritannien und Mexiko hohe Ämter bekleidete. 

2009 aber wurde er vom bolivianischen Präsidenten Evo Morales, selbst ein grosser Bewunderer des Revolutionärs, beschuldigt, Che Guevara ermordet zu haben. Prado wehrt sich bis heute vehement dagegen.Doch Morales lässt nicht locker und will ihn für "Terrorismus und bewaffneten Aufstand" belangen. Der Vorwurf: Prado sei in ein Mordkomplott gegen Morales verwickelt. Ein reiner Akt der Rache, kontert Prado.

Aufgrund eines Querschlägers, der ihn 1981 bei einem Einsatz gegen Besetzer einer Ölförderanlage getroffen hatte, sitzt Prado im Rollstuhl. Heute lebt er im bolivianischen Ort Santa Cruz de la Sierra.

swissinfo.ch: Können Sie uns etwas über die Jagd auf Che Guevara erzählen, die Sie 1967 ins internationale Rampenlicht gerückt hat?

Gary Prado: Es ist wahr, dass mich die Festnahme von Che international bekannt gemacht hat. Aber das war kein Faktor, der den Rest meines Lebens beeinflusst hat. Ich bin überzeugt, dass ich Wichtigeres erreicht habe als die Verhaftung von Che. Ich habe eine ausgezeichnete militärische Laufbahn hinter mir, bin bekannt und respektiert für meinen Beitrag zur Rückkehr Boliviens zur Demokratie und für meine verschiedenen Tätigkeiten. Ich habe mich nach 30 Jahren loyaler Dienste aus der Armee zurückgezogen.

swissinfo.ch: Sie haben mit einer "Last" gelebt, denn nach seinem Tod wurde Che zu einem Mythos.

G.P.: Als er gefangen genommen wurde, sagte Che zu mir: "Töte mich nicht, lebend habe ich mehr Wert für dich als tot". Aber sein Tod hatte den gegenteiligen Effekt. Denn für Fidel Castro war ein toter Che viel wertvoller. Durch dessen Eliminierung konnte sich Fidel eines heiklen Problems entledigen und um Che einen Mythos aufbauen. Dieser erlaubte es ihm, mit seinem System zu überleben.

swissinfo. ch: Sie sagen, dass seine kubanischen "Freunde" Che nach Bolivien geschickt haben, um ihn dort gewissermassen zu entsorgen.

G.P.: Ja, Che wurde auf dem Altar des Castrismus geopfert. Kuba wird eines Tages zugeben müssen, dass die Entsendung von Che nach Bolivien ein Weg war, ihn loszuwerden. Denn seine Position entsprach nicht derjenigen, die Kuba unter dem Druck der UdSSR eingenommen hatte.

Die Entsendung nach Bolivien, der Entzug jeglicher Unterstützung, das Kappen jeder Kommunikation war gleichbedeutend mit seinem Todesurteil. Deshalb heisst mein Buch auch "Die geopferte Guerilla".

swissinfo.ch: Che und seine Mitkämpfer waren geschwächt oder krank und völlig auf sich allein gestellt. War da das Arsenal der bolivianischen Armee, das aufgefahren wurde, ihn zu fangen, nicht übertrieben?

G.P.: Insgesamt wurden während der neun Monate dauernden Operation, die sich auf eine Fläche von 40'000 Quadratkilometern erstreckte (fast die Grösse der Schweiz, die Red.), weniger als 2000 Mann eingesetzt. Der Kampf gegen die Guerilla fand auf nur vier Prozent des Territoriums von Bolivien statt. Diese Mobilisierung war organisiert und es gab zu keiner Zeit einen massiven Einsatz von Truppen oder Medien. Am 8. Oktober 1967 standen wir Che's Gruppe von Guerillakämpfern gegenüber, und wir schlugen sie.

swissinfo.ch: Als Sie Che erwischten, hatten Sie da eine Ahnung von dem, was sich danach ereignen würde?

G.P.: Nein, Che war eine der Figuren der kubanischen Revolution und noch nicht der Mythos von später. Für mich war damals das Wichtigste, dass wir das Problem mit der Guerilla beenden und zum Frieden zurückkehren konnten.

Als ich Che verhaftete, war er in einem desolaten Zustand. Ich hatte den Eindruck, dass sein Schicksal besiegelt, weil ausweglos war: Er konnte nirgends mehr hin, es gab kein Land, das ihn aufgenommen hätte. Er wäre ein politischer Flüchtling oder zur belastenden Geisel geworden. Aus all diesen Gründen entschied er sich, bis zum Letzten zu gehen und einen Kampf mit sich selbst zu führen: zwischen dem Instinkt zu Überleben und dem Opfer für die Sache, an die er glaubte und der er sein Leben verschrieb.

swissinfo.ch: Sie haben Che gesagt, er werde vor ein Militärgericht gestellt. Am nächsten Tag wurde er standrechtlich erschossen, also ohne Gerichtsverhandlung hingerichtet.

G.P.: Es war eine politische Entscheidung, die auf allerhöchster Ebene gefällt wurde. Der damalige Präsident Boliviens, René Barrientos, und der Armeechef wollten so das Problem ein für alle Mal loswerden.

Es sei hier daran erinnert, dass drei oder vier Jahre zuvor das Castro-Regime in den frühen Tagen der kubanischen Revolution alle seine Gegner erschiessen liess.

Auf der Festung von La Cabaña, die unter dem Kommando von Che stand, wurden knapp 400 Häftlinge hingerichtet. Vor 50 Jahren wurden die Rechte von Kriegsgefangenen von der Guerilla nicht anerkannt, und die Menschenrechte hatten keinerlei Wirkung. Es war eine andere Zeit, die man nicht mit den gleichen Ellen wie das Heute messen kann.

(Rene Burri / Magnum Photos)

Veröffentlicht
13:40:32 28.09.2017
Reiselade Huttwil GmbH, Markus Bortolotti